
18 02.13
Der deutsche Mittelstand wird für
Cyberkriminelle immer attraktiver
(Report München, Bayerischer Rundfunk),
Träger des Ernst-Schneider-Preises der IHKs
für die ARD-Reportage „Angriff aus dem
Netz“, auf der der Artikel beruht.
Online-Special
Mehr Info zum Thema Sicherheit in der
Wirtschaft: www. stuttgart.ihk.de, Dok.-Nr. 73919
Es ist heiß in diesem vier Quadratme-
ter großen Serverraum. Und das, was
hier gerade passiert, ist es auch. IT-
Sicherheitsexperte Carsten Fischer von der
Telco Tech beobachtet eine brandgefährli-
che Cyber-Attacke auf ein m it-
tel-
st ä n -
disches
Unt e r -
n e h m e n ,
und er ist live
dabei: „Wir se-
hen, es versuchen
viele in dieses Netz
reinzukommen, das
ist ein Angriffsmuster.“
Vor den Augen von Cars-
ten Fischer spielt sich Un-
glaubliches ab: Cyberspione
– vermutlich aus China – grei-
fen das IT-Netz d
er Firma
Clearaudio an. Clearaudio mit
Sitz in Erlangen ist Weltmarktfüh-
rer bei der Herstellung von Tonabnehmern
für High-Tech-Plattenspieler. Schon einmal
hat Firmenchef Robert Suchy erleben müs-
sen, dass eine Erndung aus seinem Haus
plötzlich auf dem Markt war – und zwar be-
vor sie die Firma selbst veröffentlicht hatte.
Tag und Nacht quälten Suchy damals die
Gedanken darüber, wie sein wertvolles Pa-
tent nach außen gedrungen sein konnte. Am
Ende blieb nur eine Möglichkeit: Das Patent
wurde durch einen gezielten Hack über das
Firmennetzwerk gestohlen. Deshalb hat der
Unternehmer in die Sicherheit seiner Com-
puter investiert - und das hat sich gelohnt,
das sieht er jetzt. Gleichwohl ist er über-
rascht, wie unverfroren die Versuche, seine
Firmengeheimnisse zu klauen, weitergehen:
„Ich hätte nie geglaubt, dass das einem klei-
nen mittelständischen Betrieb passiert,“
sagt Suchy.
Viele Mittelständler zählen sich im-
mer noch nicht zu den potenziellen
Zielen von Industriespionen. Sie
ahnen nicht, dass es ähnlich loh-
nend ist, ihre Daten zu stehlen
wie die von großen Firmen.
Kriminelle Datendiebe und
Industriespione wissen
das. Und gerade deshalb sind kleine und
mittelständische Unternehmen ein lukrati-
ves, weil leichtes Angriffsziel, meint Matthi-
as Rosche von der Firma Integralis. Auf Live
Hacking Shows demonstriert seine Crew,
wie selbst über Smartphones und Tablet-
PCs der Weg ins Firmennetz offensteht und
Kontaktdaten, Mails, SMSen und Termine
quasi auf dem Silbertablett Unbefugten zu-
gänglich sind. Und was passiert, wenn priva-
te Sticks im Unternehmen erlaubt sind oder
einfach die Firewall nicht „up to date“ ist.
Dass durch solche Demonstrationen mitt-
lerweile eine gewisse Sensibilisierung für das
Thema stattgefunden hat, merken die Abtei-
lungen Wirtschaftsschutz der Landesverfas-
sungsämter. Seit einigen Monaten gibt es
eine lange Warteliste für einen Vor-Ort-Ter-
min. Ein Agentenservice der anderen Art:
Firmen können Termine buchen für den
Vortrag eines Fachmanns für Wirtschaftsspi
-
onage. Agenten zeigen den Mittelständlern
ganz genau, woher Gefahr droht. Und wie
sie sich schützen können.
Die Angriffsziele der gezielten Wirt-
schaftsspionage kennt Michael George vom
Bayerischen Verfassungsschutz: „Es sind zu
über 90 Prozent mittelständische Unterneh-
men. Es gibt Schätzzah-
len, die von einem Scha-
denspotenzial von 50
Milliarden Euro pro Jahr
ausgehen. Oft wissen die
Opfer nicht, dass sie bestoh-
len wurden. Die elektroni-
schen Attacken sind ja deshalb
so gemein und so gefährlich, weil
man sie gar nicht bemerkt.“
Und viele derer, die Angriffe bei sich in
der Firma feststellen, schweigen aus Angst
vor einem Imageverlust! Genau deshalb ha-
ben der Branchenverband BITKOM und
das Bundesamt für Sicherheit in der Infor-
mationstechnik die „Allianz für Cybersicher-
heit“ ins Leben gerufen, eine Meldestelle,
bei der Unternehmen und Organisationen
seit Anfang November Angriffe auf ihre
Computersysteme angeben können, auch
anonym. Man will sich endlich ein umfassen-
deres Bild über die aktuelle Gefährdungsla-
ge machen.
MAGAZIN
Comentarios a estos manuales